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Familienplanung
Von Verhütung bis Geburt
Verhütung
Natürlich gab es auch schon im Mittelalter Versuche, zu verhüten, denn nicht jeder konnte (oder wollte) gar zu viele hungrige Mäuler ernähren, sein Erbe unter sechs Söhnen aufteilen oder gar eine Affäre mit einer Schwangerschaft aufdecken. In den meisten Fällen lag die Verantwortung für die Verhütung, wie heute auch, bei den Frauen.
Populär waren über die Jahrhunderte hinweg vermeintliche Spermizide; Tierdung wurde in die Vagina eingeführt, alternativ ein in Essig oder Honig getränktes Stück Stoff. Tatsächlich waren diese Optionen überraschend effektiv, aber vermutlich nicht aus demselben Grund, aus dem man damals dachte: Mit bakteriellen Infektionen wird frau immerhin auch nur schwerlich schwanger. Diese äußerten sich dann gewöhnlich in Juckreiz und strengem Geruch, den man aber beispielsweise dem Essig oder Dung zuschrieb. Eine Alternative hierzu waren pflanzliche leichte Gifte, die eine Menstruationsblutung simulierten. Da das Ausbleiben der Periode eines der offensichtlichen Schwangerschaftssymptome war, war es logisch, dass man glaubte, damit das mögliche "Problem" einer ungewollten Schwangerschaft im Vorhinein zu lösen. Wiesenkerbel und Flohkraut waren zu diesen Zwecken sehr beliebt, häufig wie ein Tee aufgegossen, als Brei verzehrt oder ausgekocht und so weit herunterreduziert, dass sich ein zäher Sirup daraus entwickelte. Tatsächlich vergifteten sich Frauen dabei vor allem selbst, sodass ihr Körper eine Schwangerschaft von sich her abstieß - aber eben auch das nicht immer. Bis heute populär ist der sogenannte Coitus Interruptus, aber der ist auch bis heute unzuverlässig, da er auf die Selbstbeherrschung und Disziplin des männlichen Partners setzt und im Eifer des Gefechtes gerne einmal "vergessen" wurde, aufzupassen. Zu guter Letzt bleibt die Option des mittelalterlichen Kondoms, gewöhnlich bestehend aus Schafs- oder Ziegendärmen. Diese waren jedoch stark konnotiert mit Prostitution, sodass kaum eine "ehrbare" Frau freiwillig ein solches gezückt hätte... oder ihren Mann nicht davongejagt hätte, wäre er damit aufgeschlagen. ACHTUNG: Die katholische Kirche verurteilte schon im Mittelalter jeglichen Versuch, zu verhüten, sodass man nur wenig tatsächlich über Verhütung im Mittelalter weiß. Was hier steht, ist zu großen Teilen unter Historikern umstritten und ist deshalb eher als Möglichkeit als Fakt zu nehmen, stimmen jedoch mit neueren Forschungen zu Frauengesundheit überein und könnten durchaus so eingesetzt worden sein. Fruchtbarkeit
Wo Verhütung ein Thema ist, ist auch Fruchtbarkeit nicht weit, denn sie gehen zwangsläufig Hand in Hand miteinander. Wichtig ist zu wissen, dass die Durchschnittsfrau im Mittelalter nicht so wie wir heute alle circa vier Wochen ihre Periodenblutung hatte, sondern eher alle drei bis vier Monate. Woran das lag? Aufgrund der im Vergleich zu heute schwierigen Ernährungssituation in Kombination mit häufig harter Arbeit hatte der Körper mehr Mühe damit, eine fruchtbare Eizelle zu produzieren; Priorität war immerhin, sich selbst am Laufen zu halten, bevor man auch noch ein neues Leben produzierte.
Auf drei bis vier Monate kamen aber dennoch nur etwa drei fruchtbare Tage, denn die Eizelle wurde dadurch in ihrer Reise vom Eierstock in die Gebärmutter nicht plötzlich signifikant langsamer. Allein hierdurch war die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft deshalb schon sehr niedrig. Kinderreiche Familien waren zwar keine Seltenheit, aber eher, weil es im Dunkeln eben wenig Anderes zu tun gab. Wichtig ist auch zu wissen, dass nicht jede Schwangerschaft auch "saß", selbst, wenn eine Befruchtung und Einnistung stattgefunden hatte. Fehlgeburten waren aufgrund Ernährungssituation und schwerer körperlicher Arbeit ausgesprochen häufig und sind nicht immer auch als solche erkannt worden - wenn, tat frau gut daran, sie nicht öffentlich breitzutreten, da eine Fehlgeburt häufig nicht nur als eine Verfehlung, sondern ein Zeugnis innerer Verkommenheit seitens der Mutter angesehen wurde. Abtreibung
Abtreibung ist bis heute ein umstrittenes Thema, besteht aber vermutlich schon genau so lange wie es ungewollte Schwangerschaften gibt. Im Mittelalter handelte es sich um eine pseudo-chirurgische Prozedur, bei der gewöhnlich die Gebärmutter ausgekratzt oder, im späteren Stadium einer Schwangerschaft, in ihr herumgestochert wurde, bis man die Fruchtblase zum Platzen gebracht hatte und das Ungeborene unsanft herausholen konnte. Dies war sehr schmerzhaft, medizinisch absolut problematisch und häufig auch tödlich, denn selbst, wenn die Mutter nicht verblutete bei dem Eingriff, war sie offen für Infektionen in einer Welt, die von Sauberkeit nicht genug weiß, um sie davor zu schützen.
Ohnehin wollte man aber auch nicht, dass irgendwer von einer Abtreibung erfuhr, denn die Mehrzahl der Menschen betrachtete diese Prozedur als Mord und die, die sie vornehmen ließen, als Mörderin. Die häufig daraus resultierende Unfruchtbarkeit (häufig wegen vernarbter Gebärmutter) wurde als gerechte Strafe angesehen. Scham spielte eine große Rolle dabei und wer Abtreibungen anbot, der landete gewöhnlich am Galgen. Geburtensterblichkeit
So, da ist euer Charakter schon schwanger, hat das Kind tatsächlich bis zum Schluss ausgetragen und der große Tag kommt - die Fruchtblase platzt und schon bald setzen die Wehen ein. Alles gut, oder?
Falsch gedacht. Selbst jetzt kann noch viel schiefgehen. Eine Geburt war eine gefährliche Sache. 5% aller Mütter starben bei einer Geburt selbst (die häufigsten damit verbundenen Komplikationen waren die Uterusruptur, bei welcher die Gebärmutter aufreißt und das Kind in die Bauchhöhle ausgestoßen wird, die Schulterdystokie, bei welcher sich die Schultern im Muttermund oder der Vagina verkanteten, und der Nabelschnurvorfall, bei welchem die Nabelschnur vor dem Säugling ihren Weg aus dem Muttermund heraus fand), weitere 10 bis 15% bei Komplikationen im Nachhinein, gewöhnlich Infektionen wie das Wochenbettfieber, bei dem die in der Gebärmutter zurückgebliebene Plazenta eine Sepsis verursachte oder Bakterien ihren Weg ins Innere der Frau fanden, die noch im Heilungsprozess nach der Geburt war. Unterm Strich: Eine von fünf Frauen starb entweder während oder als direkte Folge einer Geburt. Aber wer denkt, das sei alles, der liegt falsch: Ein großer Teil der Kinder starb noch im ersten Lebensjahr - hierbei sprechen wir von 30 bis 50% aller geborenen Kinder. Manche wurden bereits tot geboren, doch auch Infektionen, Hunger und Kälte waren eine echte Gefahr für die Kleinsten. Wer es ins Erwachsenenalter schaffte, der hatte bereits eine harte Schule hinter sich - auch ohne Lesen, Schreiben und Rechnen zu können. |

