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Die mittelalterliche Stadt
Oder wie wir es nennen würden: Das etwas größere Dorf.
Stadtbegriff im Mittelalter
Die mittelalterliche Metropole würde wohl in der heutigen westlichen Welt keine Maus mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Schon rein von der Statik der damaligen Bauweise wegen waren Häuser (selten gemauert - und dann auch nur das untere Geschoss -, sondern eher im Fachwerkstil) zu unserer Zeit nicht höher als zwei Stockwerke, Dächer wurden mit Schilf und Dung gedeckt, es stank aufgrund von auf die Straße entleerten Fäkalien ganz erbärmlich, und sonderlich groß waren sie auch nicht. London beispielsweise hatte sage und schreibe 10.000 Einwohner - so viele haben heutzutage so manche Vororte oder Kleinstädte -, Winchester als zweitgrößte Stadt immerhin 6.000. Nottingham hatte laut Wikipedia im 11. Jahrhundert ca. 1.500 und im 14. 3.000 Einwohner - da zum 12. keine Daten vorliegen, können wir hier nur Schätzungen vornehmen, die wohl bei etwa 2.000 landen. Zu unserer Spielzeit hat übrigens auch schon der älteste Pub Großbritanniens geöffnet: Ye Olde Trip to Jerusalem wurde nämlich ca. 1189 eröffnet.
Nottingham im Mittelalter
Städte hatte klare Grenzen, nämlich die Stadtmauern. In Nottingham begannen die auf der Westseite dort, wo die Festungsanlagen von Nottingham Castle (bis es richtige Prachtbauten, also Schlösser gab, würde es noch etwa dreihundert Jahre dauern) endeten, und zogen sich einen Kilometer lang um die Stadt herum - jedoch waren sie zu unserer Spielzeit noch nicht einmal im Bau, da dieser erst 1260 begonnen hatte und insgesamt etwa sechzig Jahre dauerte. In "unserem" Nottingham sind lediglich die mittelalterlichen Wall- und Grabenbefestigungen erkennbar. Es gab zu Zeiten der Stadtmauer vier Tore in die Stadt, drei davon aufgrund ihrer Namen (Chapel Bar, St John’s Bar and Swine Bar) vermutlich in der Nähe des Flusses. Was Bars mit Häfen zu tun haben? Ähnlich dem Dubliner Temple Bar waren dies lediglich kleine Stadtviertel, die etwa zwei bis drei Straßen vom Wasser ins Innere der Stadt ragten. Temple Bar ist beispielsweise nach Mr. Temple, dem das Land dort einst gehörte, benannt, und nicht nach der Temple Bar, die sich dort befindet, doch im 12. Jahrhundert wird das Land wohl eher dem König, in Ermangelung des historischen Earl of Nottingham (der Titel wurde erst 1377 ins Leben gerufen), gehört haben und die Namen dienen lediglich der geographischen Unterscheidung. Einzig Cow Gate impliziert eine andere Verwendung, denn hier kamen vermutlich die Karren aus dem Umland, um am Markt teilzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass diese Zugänge auch vorher schon existierten.
Wirtschaft und Soziales
Der Markt war nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das soziale Zentrum einer Stadt, das zwei- bis dreimal in der Woche zum Leben erwachte. Arm wie reich tummelten sich hier und handelten mit allerhand Waren, die sie aus dem Umland mitbrachten; häufig gab es nicht einmal Stände, sondern der Karren war eben der Stand. Auf dem Markt gab es praktisch alles: Wolle, Stoffe, lebendes wie totes Fleisch, Eier, Vieh, Milch. Wer kein Geschäft in der Stadt hatte, der war froh um die Gelegenheit, hier die Früchte seiner Arbeit feilzubieten. Auf dem Markt wurde auch Klatsch und Tratsch ausgetauscht und es wurden soziale Verbindungen gepflegt.
Jedoch brauchte es nicht zwangsläufig einen Markt, um etwas zu kaufen oder zu verkaufen. Kaufleute, Handwerker, Bäcker, alles, was einen Wohnsitz in der Stadt hatte, konnte rund um die Woche auch damit Handel treiben! Einzig der Sonntag war hier ausgenommen, denn da sollte man ruhen - wie man das mit den Burgangestellten wohl hielt? Nun, jedenfalls strömte schon damals alles am Sonntag in die Kirche, namentlich die St. Mary's Church, welche bereits bei Erstellung des Domesday Book 1086 in Betrieb war, aber sicherlich noch sehr anders aussah, da das Hauptschiff, das wir heute kennen, aus dem Jahr 1377 stammt. Stadtluft macht frei
Die Stadt war auch einer anderen Gesetzgebung unterworfen als das Land - etwa 50% der Stadtbevölkerung war frei und musste deshalb lediglich Steuern zahlen, jedoch nicht noch zusätzliche Abgaben leisten (oder für Hochzeiten, Umzüge etc um Erlaubnis bitten, Frondienst leisten...). Es gab sogar eine spannende Sonderregel, die auch auf Nottingham zutraf: Ein Unfreier, der es schaffte, für ein Jahr und einen Tag in der Stadt unterzutauchen und artig seine Steuern zu zahlen, galt als freier Bürger! Tat er dies jedoch nicht, landete er auch in der Stadt in der Unfreiheit. So wundert es wohl wenige, dass viele unzufriedene Bauern ihr Glück in der Stadt versuchten - doch nur wenige schafften den Sprung in die Freiheit, denn Steuern wurden nicht einkommensabhängig, sondern pauschal pro Kopf berechnet.
Auch in der Stadt lebte man dort, wo man arbeitete, und andersherum, sodass beispielsweise ein Zimmermann seinen Arbeitsplatz direkt neben dem Bett aufbewahrte. Ein Lichtblick war es da, wenn man sich ein erstes Obergeschoss leisten konnte, das nicht nur, um Fläche zu gewinnen, überbaut wurde (Straßen waren deshalb recht dunkel und Feuer breitete sich rasend schnell aus), sondern auch etwas Privatsphäre bot. Manchmal baute man auch den Speicher aus, sodass dort noch mehr Familienmitglieder oder gar Gehilfen schlafen konnten. |

