|
|
Esskultur im Mittelalter
Taking it from "chicken" to "nugget"
Essen, Trinken und Kochen
Das Mittelalter, eine Zeit, in der die einfache Bevölkerung lediglich grauen Brei aß und die Reichen von allem zu viel hatten. Stimmt's? Nope.
Selbst die Armen aßen abwechslungsreicher, als man es uns heute glauben lässt. Da es damals noch viele wilde Fische gab, stand dieser fast dauerhaft auf der Tageskarte; Nottinghamshire bietet Aal, welcher besonders geräuchert gern genossen wurde, Hecht (Achtung, sehr viele, sehr lange Gräten!), Rotaugen (zum Auflösen der Gräten konnte man diesen Fisch auch in Essig einlegen!), Forelle, sogar atlantischer Lachs verirrte sich in die Gewässer um Nottingham. Auch Schleien, Kaulbarsche, Gründlinge und Karpfen trieben sich dort herum. Doch das ist noch nicht alles, was es auch für das einfache Volk an Proteinen gab! Selbst nicht-Bauern hielten sich hinterm Haus oft ein Schwein, welches zum Winter hin geschlachtet wurde, um im Frühling ein neues Ferkel zu kaufen. Dies barg zwei Vorteile: Ein Schwein vernichtete jeglichen Abfall und hatte nur wenige Ansprüche an die Nahrung, mit der es versorgt wurde, und nach der Schlachtung konnte man es praktisch vollständig verwerten: Speck konnte man über dem wärmenden Feuer im Haus selbst räuchern, Bauchfett sogar zu Schmalz und ähnlichen Leckereien verarbeiten, und die Köpfe galten sogar als Delikatessen und wurden gerne am Stück serviert, nachdem sie gegart worden waren! Auch die Innereien wurden verwertet und die Knochen wurden für Brühe ausgekocht. In seltenen Fällen wurden sogar Hasen zur Aufzucht und Schlachtung gehalten, doch im 13. Jahrhundert waren die Zahlen hier, vermutlich auch des großen Aufwandes wegen, sehr niedrig. Da der brauch erst nach dem Norman conquest aus der Normandie "übergeschwappt" war, kann es auch eine ideologische Sache gewesen sein. Rabbit Stew war jedoch ein Feiertagsgericht, um das man häufig einmal beneidet wurde. Viele Haushalte hielten sich auch Hühner, deren Eier man verwerten konnte - und wenn ein Huhn keine Eier legte oder ein Hahn zu laut krähte, dann war das eben das nächste Sonntagsmahl! Hühner waren vergleichsweise pflegeleicht, solange man genug Korn im Haus hatte, und da schon im Mittelalter das gute alte Rührei sehr beliebt war, hatten sie gleich doppelte Verwendung. Auch Milch stand auf dem Programm, häufig sogar von eigenen Kühen oder denen der Nachbarn. Butter wurde vielerorts von Hand gestampft, Käseherstellung war aufwändig, denn dafür brauchte es einen kühlen, trockenen Raum - wer den jedoch hatte, der konnte natürlich auch Käse herstellen. An Gemüse gab es beispielsweise Wirsing, Zwiebeln, diverse Kohle und Rüben, allerdings auch Erbsen, Bohnen und Linsen, welche häufig zu einem grob gestampften Brei verarbeitet wurden. Der Vorgänger der mushy peas, wie man sie im anglophonen Raum heute noch kennt? Bestimmt! Im Wald fand man hier und dort auch wilde Himbeeren und Brombeeren, welche sich optisch nur marginal unterschieden, Pilze (Achtung, nicht alle sind safe!), aber auch Kräuter wie beispielsweise wilden Fenchel. Auch Bitterkresse, Klebkraut, Löwenzahn / Rauke und Nessel war zu finden. Super geeignet auch zum Trocknen und Aufbewahren, denn natürlich wuchs nicht alles das ganze Jahr über. Eintöpfe erfreuten sich großer Beliebtheit, denn in diesen landete häufig einfach das, was eben da war; je nach Jahreszeit konnten das sogar einmal Äpfel sein! Und natürlich war Brot dazu wie heute auch der Hit; das der einfachen Leute war gewöhnlich dunkel und erinnerte in vielerlei Hinsicht an das Vollkornbrot von heute. Die Reichen aßen nicht allzu anders, allerdings merklich hochkarätiger, denn ihre Speisen waren sehr viel stärker gewürzt, beispielsweise mit Kümmel, Ingwer, Muskatnuss, Kardamom und Pfeffer. Auffällig war, dass es mehr Süßes gab: Von Obst (Obst und Gemüse wurden laut einer Quelle aus 1500 in besseren Haushalten immer, immer, immer gegart, da man davon ausging, dass sie Krankheiten verursachten, wenn man sie roh aß.) hin zu gezuckerten Mandeln, Rosinen und getrocknete Feigen und Datteln, ja, sogar Nachspeisen wie der englischer Custard wurden serviert und sogar mit natürlichen Zutaten gefärbt. Aber wenn ihr denkt, das ist alles, liegt ihr falsch: Es gab Zuckerskuplturen für die, die es sich leisten konnten, und zwar in allerhand Formen. Würzige Soßen waren so beliebt, dass es am Königshof sogar einen Bereich der Küche gab, der sich allein darauf spezialisierte! Das Brot der Reichen war gewöhnlich Weißbrot. Je heller das Brot, desto höher der Status. Rindfleisch wurde auch primär von den höheren Klassen genossen, denn aufgrund der hohen Aufzuchtkosten war es entsprechend teuer und wurde nur von wohlhabenderen, freien Bauern überhaupt für die Schlachtung produziert. Dafür wurde jedoch auch dieses praktisch komplett verarbeitet, von Schwanz (denke: Ochsenschwanzsuppe) bis hin sogar zum Knochenmark, aus welchem man Brühe als Suppenbasis kochte, und den Ochsenbäckchen. Da die Jagd dem König oder dessen jeweiligem Stellvertreter, also Landbesitzer, vorbehalten war, aßen auch nur der Adel, der Klerus und das Königshaus selbst regelmäßig Wild. Achtung: Wilderei stand sogar unter Todesstrafe, wer also nicht die explizite Erlaubnis zum Jagen hatte, der konnte sogar für das Fangen und Verzehren wilder Kaninchen am Galgen landen! Essen wurde nicht immer gekocht, denn saubere Trinkwasserquellen gab es nicht überall und mit schmutzigem Wasser kocht es sich schlecht; häufiger wurde also gebraten und eine Kräutersoße aus zerstampften Kräutern und Salz, welche dann durch ein Stück Stoff "gesiebt" wurde, gefertigt. Es wurde auch nur in den seltensten Fällen (= wenn man es besonders eilig hatte) wirklich über dem lodernden Feuer gebraten, sondern über der Glut, da man ans Feuer kaum nahe genug herankam mit dem Essen, damit es heiß genug wurde, ohne dass es ankohlte. Kochgeschirr war gewöhnlich gusseisern und recht teuer, sodass ein normaler Haushalt unfreier Bauern häufig "nur" eine Pfanne und einen Topf hatte, gegessen wurde manchmal sogar von trockenen Brotscheiben. Holzbrettchen konnten jedoch auch Teller ersetzen und erst die höheren Klassen hatten tatsächlich richtige Teller und nicht nur Schalen. Diese waren, gewöhnlich aus Holz, Gang und Gebe auch in einfacheren Haushalten. Zu Getränken im Mittelalter lässt sich sagen, dass Saft damals lange nicht so üblich war sie heute - das "Saft"igste war wohl Wein. Also, alter Saft. Ansonsten gab es Bier, das jedoch häufig gepanscht war und heutigen Reinheitsgeboten nicht mehr standhalten würde, Milch, Whisky, welcher jedoch zu dieser Zeit noch ausschließlich in Klöstern als Medizin gebrannt wurde, und manchmal auch Wasser, wenn es saubere Wasserquellen gab. Das war jedoch nicht immer der Fall, sodass manche Kinder schon mit fünf Jahren an Bier herangeführt wurden (und wir wundern uns über hohe Kindersterblichkeit). Aber wo sind die Kartoffeln?
Tja, Kartoffeln gab es erst nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, und da sind es noch zweihundert Jahre hin. Keine Pommesbude für Oxton, Nottingham oder Locksley.
|

